Bremserplätze und Zugsicherer

08.09.2024 19:09
#1 Bremserplätze und Zugsicherer
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Moin Leute

neulich hab ich mich gefragt, warum eigentlich noch in den 50er Jahren Bremserhäuser an neuen Güterwagen verbaut wurden, obwohl die durchgehende Druckluftbremse schon in den 20ern eingeführt wurde.
Nur um die Handbremse zum Abstellen anzuziehen, braucht man doch keine Blechbude.
Der Wikipedia-Artikel Bremserplatz liest sich dazu ganz interessant:

Zitat
Für die Mitfahrt der Zugsicherer am Zugschluss musste ein gewisser Anteil von Wagen mit Bremserhaus erhalten bleiben, bis diese Funktion in den 1950er Jahren abgeschafft werden konnte.



Da ich nun von den Epochen 2 und 3 nicht soo viel Ahnung habe, stelle ich mir ein paar Fragen.

Was genau hat ein Zugsicherer alles gemacht?
Ergab sich daraus, daß am Ende eines jeden Güterzuges ein Wagen mit Bremserhaus fahren musste?
Und ziehen wir daraus unsere Schlüsse? Achten wir darauf, was für ein Wagen am Ende eingereiht ist?

Gruß
Alex


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08.09.2024 20:47 (zuletzt bearbeitet: 08.09.2024 20:51)
#2 RE: Bremserplätze und Zugsicherer
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Bevor ich das selber erforsche (wissen tu ich es nur sehr grob), geb ich Dir lieber Hinweise, wo Du Dich da kundig machen kannst:

a) Für Deutschland suchst Du am besten die Fahrdienstvorschriften von den 1960ern rückwärts durch, bis Du auf Informationen zu "Zugsicherer" stößt. Meine kursorische Suche hat diesen Begriff erst in den FV von 1933 gefunden.
- Die FV von 1933 findest Du auf der Seite von Thomas Noßke, wenn Du Dich um 10 oder 20 Jahre zurückbeamst ... heute sind seine Seiten nur noch rudimentär vorhanden.
- Für das Zurückbeamen gibt es archive.org! - wenn Du dort "www.nosske.de" eingibst (so hießen seine Seiten), dann kommst Du nach ca. 8 Klicks zu den Paragraphen, die den Zugsicherer beschreiben.

b) Die FV 408 von 1960 enthalten, soviel ich sehe, diesen Begriff nicht mehr. Auch die Anlage 30 "Vorschriften für handgebremste Züge und Zugteile" kennt keinen "hintersten Zugbegleiter" mit eigenen Pflichten. Wieso wurden dennoch in den 50ern noch Bremserhäuser gebaut? Es kann sein, dass die internationalen Vereinbarungen das so verlangten, weil andere Eisenbahnen in Europa das noch aufgrund ihrer Vorschriften so benötigten ...

c) ... dazu ist es nach meiner Erfahrung hilfreich, sich auch mit anderen, ähnlichen Dokumenten aus dieser Zeit zu beschäftigen. Ich kann Dir die V3 der ÖBB (die den deutschen FV 408 entspricht) von 1951 anbieten. In Österreich hieß das "Schlußschaffner", und dazu finden sich in dieser alten Ausgabe auch eine ganze Menge Informationen.

Soviel als Hinweise, wo man was finden und lernen können sollte (im Sinne von Gib einem Mann einen Fisch, und du ernährst ihn für einen Tag. Bring einem Mann das Fischen bei, und du ernährst ihn ein Leben lang ). Auf meiner Literaturseite sind diese Dokumente alle angegeben, dort sollten auch Links vorhanden sein, die entweder direkt zu Scans oder HTML-Seiten davon führen oder eben via archive.org.

H.M.


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12.09.2024 19:32 (zuletzt bearbeitet: 12.09.2024 20:22)
#3 RE: Bremserplätze und Zugsicherer
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Hallo zusammen,

der österreischiche "Schlußschaffner" war bis Anfang der sechziger Jahre auch noch in Deutschland präsent.

Er musste trotz der bereits durchgehend luftgebremsten Züge auf bzw. nahe dem letzten Wagen mitfahren.

H.M. hat ja den Hinweis auf Thomas Nosske und die wayback machin schon gegeben, also hier nur noch mal der direkte Link

Und dann in Auszügen die betreffenden §§42 und 46:

§ 42. Vorbereitung zur Fahrt

(1) Auf dem Ausgangsbahnhof haben die Zugbegleiter den Zug zu übernehmen, die einzelnen Wagen genau durchzusehen und zu prüfen, ob die Vorschriften über das Bilden der Züge (6. Abschnitt) eingehalten sind. Damit muß schon während des Rangierens begonnen werden, wenn die Zeit zwischen der voraussichtlichen Fertigstellung und der Abfahrt des Zugs nicht ausreichen sollte. Der Zugführer teilt den Zugbegleitern die Wagen zur Untersuchung und zur Bedienung zu, bestimmt einen besonders erfahrenen und zuverlässigen Schaffner als Zugsicherer und händigt ihm die Zugsicherungsmittel aus. Erforderlichenfalls bestimmt er bei Güterwagen einen Schaffner als Rangierleiter (§ 78 (2)). Auf Unterwegsbahnhöfen ist die Untersuchung zu wiederholen, soweit sich die Zusammensetzung des Zugs ändert. Im übrigen sind allgemein die Aufenthaltszeiten zur Untersuchung des Zugs auszunutzen.

§ 46. Besetzen und Bedienen der Bremsen

(1) Als besetzt gilt eine Bremse, wenn sie von einem Zugbegleiter oder bei durchgehender Bremse vom Lokomotivführer (Triebwagenführer) in Tätigkeit gesetzt werden kann.

(2) Zu unterscheiden sind durchgehend gebremste und handgebremste Züge. Durchgehend gebremste Züge können im Schlußteil handgebremste und handgebremste Züge können anschließen an die Lokomotive durchgehend gebremste Fahrzeuge mitführen (§ 90 (3)).

(3) Die durchgehende Bremse bedient der Führer der ersten mit dieser Bremse ausgestatteten Lokomotive. Der Führer einer Vorspannlokomotive, von der aus die Bremse nicht bedient werden kann, gibt die Signale zum Bremsen (§ 57 (2)).

(4) Bei der Übernahme eines Zugs muß sich der Zugführer überzeugen, daß bedienbare Bremsen in der erforderlichen Zahl vorhanden und brauchbar sind.

(5) Der Zugführer hat den Bremsern die Plätze anzuweisen. Zur Bremsbesetzung kann er sämtliche Zugbegleiter, bei dringendem Bedarf auch andere Bedienstete, die den Zug in Gastfahrt benutzen, heranziehen.
Beim Anweisen der Plätze ist auch § 92 zu beachten. Auch wenn die Zahl der besetzten Bremsen die nach § 91 A erforderliche Mindestzahl übersteigen sollte, darf kein Bremser den ihm angewiesenen Platz verlassen.

(6) Bei durchgehend gebremsten Reisezügen hat sich der Zugsicherer (§ 42 (1)), soweit es seine sonstigen Obliegenheiten und die Umstände gestatten, möglichst nahe dem Zugschluß aufzuhalten.
Führt ein durchgehend gebremster Reisezug mehr als 30 Güterwagen- oder leere Personenwagenachsen am Schluß mit, so hat der Zugsicherer auf oder in einem Wagen Platz zu nehmen, von dem aus er in Notfällen die durchgehende Bremse betätigen kann. Diesem Wagen dürfen höchstens 30 Achsen folgen.
Bei durchgehend gebremsten Güterzügen nimmt der Zugsicherer möglichst nahe dem Zugschluß auf einem Wagen Platz, von dem aus er in Notfällen die durchgehende Bremse betätigen kann. Diesem Wagen dürfen höchstens 30 Achsen folgen.
Bei Mitführung einer Handbremsgruppe ist der Zugsicherer zur Bedienung einer Handbremse heranzuziehen; Ausnahmen bestimmt die Direktion. Der Zugsicherer hat alsdann seinen Platz auf dem letzten Bremswagen innerhalb der letzten 8 Achsen einzunehmen; ist eine bediente Schlußbremse erforderlich, so besetzt er diese.

(7) Eine am Schlußwagen eines handgebremsten Zugs oder Zugteils vorhandene Bremse ist auch dann zu besetzen, wenn eine Schlußbremse nicht vorgeschrieben ist, wenn hierdurch nicht die Einteilung eines weiteren Bremsers nötig wird.

(8) Die Bremser sind möglichst gleichmäßig auf den Zug zu verteilen. Vorzugsweise sind die Bremsen schwer beladene Wagen zu besetzen, soweit möglich, geschlossene, erhöhte Bremsersitze. Hochliegende offene Bremsersitze und Bremsen von Personen-, Post-, Bahndienstwagen und vierachsigen Gepäckwagen sollen nur besetzt werden, wenn andere Bremswagen nicht in genügender Anzahl oder nicht an richtiger Stelle vorhanden sind. Auf Strecken mit elektrischer Oberleitung dürfen offene, hochliegende Bremsersitze nicht besetzt werden.

(9) Bei geschobenen Zügen ist die vorderste brauchbare Bremse stets zu besetzen (§ 58 (4)).

(10) Der Zugführer, oder in seiner Vertretung ein anderer Zugbegleiter, nimmt bei Güterzügen während der fahrt seinen Platz so ein, daß er die durchgehende Bremse in Tätigkeit setzen kann; ebenso verfährt er bei anderen Zügen, wenn er nicht durch andere Dienstgeschäfte daran verhindert ist.

(11) Die Bremsen von Wagen mit Pulverflagge und bei Zügen des allgemeinen Verkehrs auch die Bremsen des vorhergehenden und des folgenden Wagens dürfen nicht mit Bremsern besetzt werden; durchgehend bediente Bremsen sind jedoch einzuschalten.

(12) Der Zugführer hat dem Lokomotivführer der führenden Lokomotive die Wagenachsenzahl, das Zuggewicht und die Bremsverhältnisse des Zugs, getrennt nach durchgehend- und handgebremstem Zugteil (Zahl, Bauart, Schaltung und allgemeine Verteilung der bedienten Bremsen) anzugeben.
Hierzu fertigt der Zugführer einen Bremszettel nach Anlage 17. Dieser ist dem Lokomotivführer auf dem Zugangsbahnhof und beim Lokomotivwechsel vor der Abfahrt auszuhändigen. Während der Fahrt unterrichtet der Zugführer den Lokomotivführer mündlich, wenn

1) die vorhandenen Bremshundertstel nicht die Mindestbremshundertstel erreichen. Die Zahl der fehlenden Bremshundertstel ist auch mitzuteilen, wenn sie sich ändert oder fortfällt;
2) wenn ein zunächst vorhandener Überschuß an Bremshundertsteln fortfällt,
3) die Zahl der Wagen

mit Handbremsen in allen Zügen,
mit eingeschalteten Bremsen in Reisezügen,
mit eingeschalteten einlösigen Bremsen in Güterzügen

sich um mehr als 3 ändert;
4) in Reisezügen, die in Bremsstellung S gefahren werden, die Zahl der Wagen in Bremsstellung P sich ändert,
5) alle Wagen eines in Bremsstellung S zu fahrenden Reisezugs auf Bremsstellung P umgeschaltet werden müssen.

(14) Der Zugführer ist für die Ausführung der vorgeschriebenen Bremsproben verantwortlich.

(15) Vor der Abfahrt sorgen die Zugbegleiter dafür, daß sämtliche Handbremsen gelöst (siehe jedoch (25)) und die Fahrzeuge ordnungsgemäß gekuppelt sind.

(16) Die Bremser nehmen die ihnen zugewiesenen Plätze (6) ein, bevor der Zug in Gang gesetzt wird und dürfen sie nicht verlassen, bevor der Zug hält. Beim Anfahren des Zugs achten sie darauf daß alle Wagen folgen.

(17) Bei der Durchfahrt durch einen Bahnhof machen sich die Bremser bei Tag durch Anlegen der Hand an die Kopfbedeckung, bei Nacht durch Heben der Handlaterne dem Aufsichtsbeamten bemerkbar.

(18) Bei handgebremsten Zügen oder Zugteilen beteiligen sich die Bremser während der ganzen Fahrtdauer an der Bremsbedienung
Auf das Pfeifensignal "Achtung" halten sie sich zum Bremsen bereit. Auch bei der Fahrt in Steigungen müssen sie stets bereit sein, die Bremse anzuziehen, weil hier mit der Möglichkeit einer Zugtrennung zu rechnen ist.
Bremsen, die zur Bedienung vom Sitz aus eingerichtet sind, dürfen nicht stehend bedient werden.

(19) Handbremsen sind den Signalen des Lokomotivführers entsprechend "mäßig" oder "stark" anzuziehen. Auf das "Notsignal" des Lokomotivführers sind die Bremsen stark anzuziehen.
Die Bremsen dürfen in diesen Fällen erst wieder gelöst werden, wenn vom Lokomotivführer hierzu das Signal gegeben wird oder der Zug stillsteht (siehe auch (25)).

(20) Die Bremsen sind ohne Signal, je nach Bedürfnis, soweit anzuziehen oder zu lösen, als zur Einhaltung der vorgeschriebenen Geschwindigkeit im Gefälle nötig ist; wenn der Lokomotivführer wahrnimmt, daß unrichtig gebremst wird, hat er das Bremsen durch Bremssignale zu regeln.

(21) Beim gezogenen Zug werden zuerst die hintersten Handbremsen, beim geschobenen Zug zuerst die vordersten angezogen. Die Bremsen sind so anzuziehen und zu lösen, daß keine Stöße und Zuckungen im Zug entstehen.


(25) Ist ein Zug in der Waagerechten oder in einer Neigung (Steigung oder Gefälle) bis zu 2,5 0/00 (1:400) zum Stillstand gekommen, so sind die Bremsen langsam zu lösen (siehe auch (27)).
Hält ein Zug auf einer 2,5 0/00 (1:400) oder schwächer geneigten Betriebstelle, an die sich ein stärkeres Gefälle nach rückwärts unmittelbar anschließt, so ist nur die durchgehende Bremse zu lösen, die Handbremsen müssen angezogen bleiben.
Hält ein Zug oder ein Teil des Zugs in einer stärkeren Neigung als 2,5 0/00 (1:400), so müssen alle bedienten Bremsen angezogen bleiben. Auf freier Strecke hat der Lokomotivführer nötigenfalls Signale zum Anziehen der bedienten Bremsen zu geben. Wenn der Lokomotivführer durch Anziehen der Zusatz- oder der Handbremse auf der Lokomotive oder dem Tender den Zug sicher in der Gewalt behält, ist die durchgehende Bremse so rechtzeitig zu lösen, daß die Abfahrt oder die Weiterfahrt nicht verzögert wird.
Die Handbremsen, die nach vorstehendem Absatz 2 und 3 angezogen bleiben müssen, dürfen erst gelöst werden, wenn durch Signale des Lokomotivführers angezeigt wird, daß der Zug in Bewegung gesetzt werden soll. Betriebstellen, auf denen bei einem haltenden Zug die bedienten Handbremsen hiernach angezogen bleiben müssen, sind im Buchfahrplan gekennzeichnet.

(26) Die letzte Bremse eines in einer Steigung haltenden Zugs muß während des Haltens bewacht bleiben. Ist sie handgebremst, so gilt sie als bewacht, wenn sich der Zugsicherer in ihrer unmittelbaren Nähe befindet. Von der Bewachung kann abgesehen werden, solange es durch das Sichern oder Schützen des Zug notwendig ist (§ 61).

(27) Wird die Zuglokomotive oder ein Zugteil vorübergehend abgekuppelt, so müssen vorher, auch in der Waagerechten, die Bremsen des freibleibenden, durchgehend gebremsten Zugteils durch den Lokomotivführer und im handgebremsten Zugteil die hinterste besetzte Handbremse durch den Zugsicherer angezogen werden; außerdem ist im durchgehend gebremsten Zugteil eine Handbremse anzuziehen. Ist der stehenbleibende Teil nur handgebremst, so muß die vorderste und die hinterste Handbremse angezogen werden.
Die Stellen, auf denen mehr Handbremsen angezogen werden müssen, sind im AzFV bekanntgegeben.
Der Zugsicherer hat darauf zu achten, daß im stehenbleibenden Zugteil die Bremsklötze fest anliegen.

(28) Für das Stehenbleiben von Zügen oder Zugteilen ohne Lokomotive gelten § 56 (3), 61 (18) und (19), 72 (3) und 86 (4).

Wenn man in der verlinkten FV nach Zugsicherer sucht wird man noch einige weitere sehr wichtige Aufgaben feststellen können.

So z.B. in §§ 55 und 61.

Auch die Fahrdienstvorschrift der Preußischen Staatsbahn (1907 Ausgabe 1913) weist in den §§ 44 - 47 diese Formulierungen in ganz ähnlicher Weise auf.

Soweit erstmal dazu.

Beste Grüße aus dem Bergischen

Michael


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