Rangieren auf Strecken mit Zugleitbetrieb

19.07.2024 10:58 (zuletzt bearbeitet: 19.07.2024 11:03)
#1 Rangieren auf Strecken mit Zugleitbetrieb
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Hallo!

Der Zugleitbetrieb wurde in diesem Forum schon reichlich besprochen. Ein Aspekt der dabei bisher etwas untergeht, beim Vorbild aber eine große Rolle spielt, ist das Rangieren.

Auf den ersten Blick könnte man vermuten dass das, da es ja um Zugfahrten geht, keine große Rolle spielt und man das „einfach so“ machen könne. Das Vorbild sieht das etwas anders – die FV-NE z. B. sagt in §22:

Hauptgleise dürfen nur mit Erlaubnis des Zugleiters zum Rangieren benutzt oder mit Fahrzeugen besetzt werden. Der Zugleiter erteilt die Rangiererlaubnis mit den Worten: „Rangieren in …….. erlaubt“. Dies ist im Belegblatt oder Meldebuch nachzuweisen.

Nach Beendigung des Rangierens wird an den Zugleiter gemeldet: „Rangieren in … beendet.“ Dies ist im Belegblatt oder Meldebuch nachzuweisen.


Warum das? Zur Illustration mal ein Beispiel von der BAE.

Am westlichen Ende des BAE-Netzes liegt der Bahnhof Sieber-Nord. Der ist in der Regel betrieblich unbesetzt (gelegentlich wird dort mit einem zeitweise anwesenden Fahrdienstleiter und einer stellbaren Sh2-Scheibe als Einfahrsignal experimentiert, aber das steckt noch in den Kinderschuhen).



Nehmen wir mal an, bei laufendem Fahrplanbetrieb hat eine Zugmannschaft (Tf und Zf) den Auftrag den Zug P31, Sieber-Nord ab 14.20 Uhr, nach Braunlage zu fahren. Die Lok steht im Bw (links unten), der Zug auf einem der Hauptgleise, sagen wir Gleis 2. Der Tf übernimmt die Lok und will aus dem Bw ausrücken und an den Zug fahren. Darf er das so einfach?

Nach Verlassen des Bw-Bereichs würde er mit seiner Lok Hauptgleise befahren, nach den oben wiedergegebenen Regeln setzt das also eine Erlaubnis des Zugleiters voraus. Blick in den Fahrplan: es ist jetzt 13.50 Uhr, der eigene Zug soll 14.20 Uhr abfahren, und bis dahin ist fahrplanmäßig keine andere Zugfahrt in Sieber-Nord vorgesehen. Also könnte man doch...?

Sollte man lieber nicht. Denn das Zugpersonal von P31 hat ja keine Kenntnis was sonst so auf der Strecke los ist: womöglich fährt in Kürze ein stark verspäteter Güterzug in Sieber-Nord ein. Oder es wurde ein Sonderzug eingelegt, oder oder oder... Und wenn dann die Lok von P31 gerade den Zug am Bahnsteig bereitstellt und der Sonderzug aus dem Tunnel in den Bahnhof rollt ist ganz sicher ein Sondereinsatz für die Unfallbereitschaft fällig: Gleise sperren, Notfalleinsatzkräfte einweisen, Ersatzverkehr organisieren, Leichenwagen bestellen...

Nun könnte man vermuten: wenn aber der Zugleiter einen Sonderzug nach Sieber-Nord schickt, dann muss er doch für diesen Zug „Halt vor der Trapeztafel“ anordnen, damit der P31 ihn mit Zp11 reinpfeifen kann? Ja, wenn es denn so einfach wäre...

P31 beginnt ja erst in Sieber-Nord. Könnte sich der Zugleiter darauf verlassen dass der bei Ankunft des Sonderzuges schon im Bahnhof bereitsteht, dann könnte sich die Mannschaft des P31 um alles kümmern und die Einfahrt des Sonderzuges regeln (auch dafür müssten sie aber erst mal wissen dass dieser Zug verkehrt). Aber wenn die Mannschaft dann noch gar nicht da, noch mit einer anderen Zugleistung beschäftigt oder bei der Kaffeepause ist, dann stünde der Sonderzug vor der Trapeztafel und kann warten bis er schwarz wird.

Also macht man es anders. Vor Ausfahrt aus dem Bw wird sich die Mannschaft beim Zugleiter melden: „Darf in Sieber-Nord rangiert werden?“ was der Zugleiter mit „In Sieber-Nord darf rangiert werden“ beantworten wird. Falls der Zugleiter doch bereits einem anderen (Sonder-)Zug Fahrerlaubnis bis Sieber-Nord erteilt hat wird er die Rangiererlaubnis verweigern – die Lok muss dann außerhalb der Hauptgleise die Einfahrt des Gegenzuges abwarten. Verkehrt ein Gegenzug, hat dieser aber noch keine Fahrerlaubnis bis Sieber-Nord, dann wird der Zugleiter die Rangiererlaubnis erteilen, aber das Personal von P31 gleichzeitig über die Kreuzung informieren („Es verkehrt der Sonderzug G 228 von Sonnenberg nach Sieber-Nord. G228 hält in Sieber-Nord vor Trapeztafel und kreuzt mit P31“).

Heißt das nun dass für jede kleinste Rangierbewegung der Zugleiter gefragt werden muss? Nein, nicht unbedingt. Erhält z. B. ein Nahgüterzug eine Fahrerlaubnis von Sieber-Nord bis Sonnenberg dann "gehört ihm die Strecke" - er darf auch unterwegs, also in Schluft und Schlufterhütte, einfach so rangieren (früher war das generell so - heute muss dieses Verfahren in der SbV explizit geregelt werden).

Und bei Betriebsstellen mit Einfahrsignalen, also auf der BAE in Sonnenberg, ist es ganz einfach. Dort wird der Bahnhof durch Einfahrsignale vor plötzlich einfahrenden Zügen "geschützt", deswegen kann der "Fdl" Sonnenberg in seinem Bahnhof ganz unabhängig rangieren, ganz ohne den Zugleiter damit zu belästigen.

Übrigens gehört die Rangiererlaubnis nicht zu den eigentlich Zuglaufmeldungen (Fahranfrage, Fahrerlaubnis usw.), sie ist halt eine "sonstige Meldung". Ob man diese Regeln beim Modellbahnbetrieb berücksichtigt muss der Anlagenbesitzer, abhängig vom eigenen "Anspruch", natürlich selber entscheiden. Zu wissen dass es beim Vorbild so läuft und warum lohnt sich aber, daher dieser kleine Text dazu.

Viele Grüße,
Sebastian


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19.07.2024 22:15
#2 RE: Rangieren auf Strecken mit Zugleitbetrieb
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Zitat
Verkehrt ein Gegenzug, hat dieser aber noch keine Fahrerlaubnis bis Sieber-Nord, dann wird der Zugleiter die Rangiererlaubnis erteilen, aber das Personal von P31 gleichzeitig über die Kreuzung informieren („Es verkehrt der Sonderzug G 228 von Sonnenberg nach Sieber-Nord. G228 hält in Sieber-Nord vor Trapeztafel und kreuzt mit P31“).



Und danach wird der G 228 aber doch vom P31 hereingepfiffen, oder?

Und wenn der G 228 in Sieber Nord aufgelöst wird, welche Zugmannschaft stellt dann den Rangierleiter?
(Vorausgesetzt Sin ist zu diesem Zeitpunkt örtlich nicht besetzt und P 31 und G 228 haben zeitgleich zu rangieren.)

Gruß
Alex


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19.07.2024 22:44
#3 RE: Rangieren auf Strecken mit Zugleitbetrieb
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Genau, P31 pfeift G228 herein.

Zitat von Fischkopp im Beitrag #2
[quote]Und wenn der G 228 in Sieber Nord aufgelöst wird, welche Zugmannschaft stellt dann den Rangierleiter?


Vermutlich wird das der Zugführer des G228 machen. Da muss es aber keine Regel geben.

Der Begriff "Rangierleiter" wird leicht missverstanden. Einen Rangierleiter (alte Definition bis vor etwa 15 Jahren) muss es bei jeder Rangierfahrt geben, egal ob da nur 15m vorgezogen wird oder ob man 40 Wagen sortiert. Diese Rolle kann erstmal jeder übernehmen der eine entsprechende Ausbildung und Prüfung hat (was früher selbstverständlich auch alle Zugführer hatten).

Und wenn dann zwei Rangierabteilungen (in dem Fall P31 und G228) gleichzeitig in Sieber Nord rangieren, dann wird es zwei Rangierleiter, wahrscheinlich die beiden Zugführer, geben. Jeder rangiert für sich und beide müssen sich miteinander absprechen.

Einen "übergeordneten" Rangierleiter (ich glaube in diese Richtung geht deine Frage) muss es nicht geben. Auf Bahnhöfen mit viel Rangierbetrieb kann es natürlich einen örtlichen Rangierleiter geben der das Rangiergeschäft dann selber macht oder koordiniert.

Zur Korrektheit:
Vor etwa 15 Jahren änderte sich das Regelwerk. Vorher war der Rangierleiter "Chef" bei Rangierarbeiten, alle daran beteiligten (auch der Tf) unterstanden seinen Weisungen. Dann hat man das geändert: heute "rangiert" im Prinzip der Tf, wenn noch ein oranges Männchen dabei ist heißt es "Rangierbegleiter" und untersteht dem Tf. Das war wohl den Änderungen in der Praxis geschuldet: die meisten Rangierloks werden ohnehin von Lokrangierführern gefahren; außerhalb des Güterverkehrs wird immer weniger rangiert; und die Zugpersonale im Personenverkehr sind auch meist gar nicht mehr dafür ausgebildet.

2003 erlebte ich als Fahrgast noch wie bei einem RE Halle - Nordhausen - Nordheim in Niedersachswerfen ein Wagen schadhaft wurde. Die Zugführerin (Reichsbahnerin) zögerte gar nicht lange: vom Lokführer Kittel und Handschuhe ausgeliehen und los ging es. Mich und meinen Reisebegleiter hatte sie im Gespräch zuvor schon als Eisenbahnfreunde und Museumsbahner identifiziert, wir wurden ohne großes Brimborium zu Hilfsdiensten (Rangiersignale weitergeben und auf die Fahrgäste aufpassen) eingeteilt. Nach 25 Minuten stand der Schadwagen auf der Seite, Bremsprobe, und weiter ging es. Versucht das heute mal...

Grüße,
Sebastian


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20.07.2024 08:11
avatar  OOK
#4 RE: Rangieren auf Strecken mit Zugleitbetrieb
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OOK

Absolut unfair, einen solchen Thread zu eröffnen, wenn ich gerade im Zug nach Bielefeld sitze und nix mitkriege, wo doch die Situation auf meiner Anlage als Beispiel genommen wurde. ;-)

Der Bahnhof Sieber Nord ist bisher trotz jahrzehntelanger Betriebspraxis immer noch betrieblich völlig unterbelichtet. Das heißt, die dortigen Möglichkeiten eines interessanten und spannenden Modellbetriebes werden bei weitem nicht ausgenutzt. Eigentlich sollen alle ankommenden Züge mit einer frischen Lok aus dem Bw wieder zurückfahren. Eigentlich, wird selten gemacht. Eigentlich soll der morgendliche G 200 vor Abfahrt von Sin noch kurz die Mosterei mit dem Sk bedienen. eigentlich sollen aufgebockte Regelspurwagen von Sieber Reichsbahn zur Holzschleiferei gefahren werden.

Das kann aber alles nur funktionieren, wenn es dort einen Örtlichen gibt, der regelt, wer wann wo rangieren darf und der vor allen Dingen die Möglichkeit hat, sich Züge von der Strecke mittels der von Sebastian erwähnten Deckungsscheibe vom Leibe zu halten. Diese Deckungsscheibe steht seit einem Jahr halbfertig da und muss dringend in Funktion gebracht werden.
Wenn der Bahnhof dann abgeschottet werden kann, ist das Rangieren eigentlich, nö, uneigentlich, auch ohne Zustimmung des Zl möglich.
Interessant Sebastians Feststellung, dass der Zug in dem Bereich, für den er Fahrerlaubnis hat, beliebig rangieren darf ohne den Zl zu fragen. Eigentlich logisch, aber ich glaube, dass wir uns dessen nicht immer bewusst sind. Andererseits muss es da auch eine Notbremse geben. Ein Beispiel:

Der G 237 hat Fahrerlaubnis von Königskrug bis Sonnenberg, muss nur noch "kurz" in Oderteich einen Wagen an die Kohlenhandlung setzen und die beladenen Spatwagen aufnehmen. Ein kurzer Blick über die Situation sagt dem Zf, dass das so eben mal schnell nicht gehen wird. Das kann dauern. Dann wäre es zweckmäßig, den Zl zumindest darüber zu informieren. Dann hat der die Möglichkeit, ein Zeitfenster anzuordnen, in dem eine Fahrstraße für einen Gegenzug freizuhalten ist.

Zitat von Sebastian im Beitrag #1
Übrigens gehört die Rangiererlaubnis nicht zu den eigentlich Zuglaufmeldungen (Fahranfrage, Fahrerlaubnis usw.), sie ist halt eine "sonstige Meldung". Ob man diese Regeln beim Modellbahnbetrieb berücksichtigt muss der Anlagenbesitzer, abhängig vom eigenen "Anspruch", natürlich selber entscheiden.
Wie ich hörte, hat der in Rede stehende Anlagenbesitzer sich für die grundsätzliche Einführung dieses Verfahrens entschieden. Über Details des Procedere werden wir in der Kaffeerunde noch reden.
Gruß

Otto

OOK
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25.07.2024 10:36 (zuletzt bearbeitet: 25.07.2024 10:40)
#5 RE: Rangieren auf Strecken mit Zugleitbetrieb
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Hallo,

in Ottos letztem Post war ja noch eine Frage versteckt:

Zitat von OOK im Beitrag #4
Interessant Sebastians Feststellung, dass der Zug in dem Bereich, für den er Fahrerlaubnis hat, beliebig rangieren darf ohne den Zl zu fragen. Eigentlich logisch, aber ich glaube, dass wir uns dessen nicht immer bewusst sind. Andererseits muss es da auch eine Notbremse geben.


Diese Notbremse gibt es ja. Die Fahrerlaubnis für Sonnenberg beinhaltet zwar dass auf den Zwischenbahnhöfen rangiert werden darf ohne dafür jedesmal eine Erlaubnis einzuholen, aber nicht "beliebig". Eine Fahrerlaubnis ist kein Freibrief die Strecke beliebig lange zu blockieren.

Denn: es gibt ja trotzdem noch einen Fahrplan, und der gilt. Der Zug ist also gehalten auf den Bahnhöfen das Rangieren so rechtzeitig zu erledigen dass er den Fahrplan einhält, in diesem Fall rechtzeitig in Sonnenberg eintrifft.

Dazu die FV-NE, § 13: "Sofern der EBL (...) nichts anderes festgelegt hat, sind Verspätungen über 10 Minuten vom Zugführer dem Zugleiter zu melden."

In unserem Beispiel: nehmen wir an der Zug sei nach dem Rangieren in Schluft rechtzeitig abgefahren. Bei der Einfahrt in Schlufterhütte stellt der Zugführer anhand der vielen mitzunehmenden Wagen schon fest dass er seine Ankunftszeit in Sonnenberg auf keinen Fall einhalten wird, dann muss er dies schon jetzt (also, sobald das erkennbar wird) dem Zugleiter melden. Dann kann der z. B. entscheiden die bereits erteilte Fahrerlaubnis Schlufterhütte - Sonnenberg zurückzunehmen und den Güterzug in Schlufterhütte kreuzen lassen.

Übrigens ist das auch auf der BAE ein Problem. Dass die Güterzüge manchmal mit dem Rangieren erheblich länger brauchen als im Fahrplan vorgesehen ist ja ok. Aber für den Zugleiter wäre es wichtig so früh wie möglich davon zu erfahren (auch wenn man noch nicht sagen kann wie lange es dauert), dann kann er rechtzeitig umdisponieren.

Grüße,
Sebastian


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25.07.2024 18:07
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#6 RE: Rangieren auf Strecken mit Zugleitbetrieb
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OOK

Möglicherweise ist es sinnvoll. Güterzügen immer nur bis zum nächsten Bahnhof Fahrerlaubnis zu geben und eine Ankunftsmeldung vorzuschreiben. Bei der kann der Zf dann auch mitteilen, ob er vsl mit der planmäßigen Aufenthaltszeit auskommen wird oder nicht.

OOK
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25.07.2024 19:21
#7 RE: Rangieren auf Strecken mit Zugleitbetrieb
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Probier das mal, dann kommst du aus dem Telefonieren gar nicht mehr raus....

Ich würde beim oben beschriebenen Weg bleiben.


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